Ausstellung

Heilige Ware

Kuratiert von Wolfgang Scheppe
28.2.2017 bis 14.5.2017 | Johann Jacobs Museum

Die Chinesen kennen seit langer Zeit den Brauch, den Vorfahren im Jenseits Geld und Gebrauchswerte zu übergeben. Vollzogen wird die Übergabe, indem man diese Objekte in Flammen und Rauch aufgehen lässt. Dabei werden nicht wirkliche Dinge verbrannt, sondern getreue Nachbildungen aus Papier (Zhizha). Heute werden in China und der chinesischen Diaspora bevorzugt papierene Imitationen von Gucci-Schuhen, Rolex-Uhren und iPhones dem Feueropfer übergeben – westliche Konsumgüter also, deren Status universelle Geltung erlangt zu haben scheint. (Dass der Kult der Marke einen geschichtlichen Höhepunkt in der Wahl eines brand name zum Präsidenten der USA erreicht hat, sei im Vorbeigehen erwähnt).

Der Philosoph und Ausstellungsmacher Wolfgang Scheppe zeigt im Johann Jacobs Museum ab Ende Februar eine breite Auswahl eleganter Damenschuhe ikonischer Marken aus Papier, die einer Privatsammlung in Hongkong entstammen und ihre Entwicklung über mehrere Jahrzehnte dokumentieren. Einige Wochen lang verwandelt sich das Museum in ein Schuhgeschäft für die Geister der Verstorbenen. Aber auch den Lebenden gilt Scheppes Interesse. „Heilige Ware“ widmet sich dem globalisierten Traum der westlichen Mittelschicht: der quasi-religiösen Phantasie einer Teilhabe an einem Sinnganzen durch den Konsum bestimmter, eben zur Namhaftigkeit von „Marken“ gesteigerter Güter.

Als historischen Bezugspunkt zu den zeitgenössischen Schuhmodellen zeigt das Johann Jacobs Museum einen papiernen Schuh, der auf das Jahr 418 datiert. Dieser Schuh, das älteste bekannte Objekt seiner Art, stammt aus einem Fundort bei Turpan und lagerte über Jahrzehnte im Institut der Geschichte der Wissenschaften in Beijing, bevor er in den Wirren der chinesischen Kulturrevolution verloren ging.

 

Wolfgang Scheppe ist der Autor von Migropolis, einem weitgespannten Standardwerk zur Stadt unter den Bedingungen des globalen Warenverkehrs, und kuratierte zuletzt die vielbeachtete Reihe der Propositionen in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (Die Dinge des Lebens / Das Leben der Dinge; Die Logik des Regens; Supermarket of the Dead; und Die Vermessung des Unmenschen, 2013-2016), an die diese aktuelle Ausstellung anschliesst.

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